Unverkennbar durch seinen tief gegabelten, rostroten Schwanz ist der Rotmilan (Milvus milvus) eine der häufigsten Taggreifvogelarten des Landkreises. Dennoch ist der elegante Vogel global eine hochgradig gefährdete Art, dessen Verbreitung fast ausschließlich innerhalb der europäischen Grenzen liegt. Die höchsten Dichten werden in den ostdeutschen Bundesländern verzeichnet. Daher hat die Bundesrepublik immense Verantwortung für das Fortbestehen der Art, ist verpflichtet geeignete Lebensräume zur Verfügung zu stellen, und die Entwicklung der Bestände zu dokumentieren.
Ein solches Monitoring für den Rotmilan wird seit 1992 im Landkreis Gotha durchgeführt. Bei dieser wissenschaftlichen Beobachtung werden Brutpaare erfasst, Jungvögel beringt, und auch Beutereste zur Nahrungsanalyse aufgenommen. Der größte Thüringer Taggreifvogel verzeichnet im Landkreis Gotha wieder relativ hohe Brutpaardichten. Dennoch ist der Rotmilan auch hier zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Sowohl natürliche (z.B. Prädation und Unwetter) als auch anthropogene Einflüsse (intensive Landwirtschaft, technische Einrichtungen, direkte Verfolgung) bedrohen das Leben unserer Greifvögel.
Mehr zum Wesen des Rotmilans lesen Sie hier
Greifvögel gehören zu den streng geschützten Arten. Sie unterliegen dem Jagdrecht mit ganzjähriger Schonzeit, zudem dem Bundesnaturschutzgesetz und der EU-Artenschutzverordnung. Das Fangen, Verfolgen und Töten verstößt damit gegen das Bundesnaturschutzgesetz, gegen das Jagdrecht, das Strafgesetzbuch und das Tierschutzgesetz. Wer sich dessen strafbar macht kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden.
Kaum zu glauben, dass es auch heute noch zu illegalen Nachstellungen streng geschützter Tierarten kommt. Aktuelles Beispiel: ein getötetes Mäusebussardweibchen im Waldgebiet Berlach bei Gotha im Januar 2020.
Sollten Sie bei Ihrem Spaziergang durch die Natur Fangeinrichtungen, tote Vögel oder sonstige Auffälligkeiten feststellen kontaktieren Sie bitte umgehend die Polizei, die Untere Naturschutzbehörde Gotha, den NABU KV Gotha e.V. oder auch das Komitee gegen den Vogelmord e.V.
Der Lebensraum wird immer knapper, die Rote Liste gefährdeter Tier- und Pflanzenarten wächst. Jahrzehntelange Bemühungen um den Erhalt unserer wertvollen Natur können binnen kürzester Zeit zunichte gemacht werden.
Feldgehölze dienen v.a. vielen Vogelarten als Rückzugs- und Brutplatz und sind damit als überaus wertvoll in der ansonsten ausgeräumten und vom Menschen geprägten Kulturlandschaft zu betrachten.
Den Wert des Feldgehölzes nordöstlich von Pferdingsleben entdeckte der Rotmilan im Jahr 2008 für sich. 2010 kam es hier zur ersten Brut. Bis 2021 flogen an diesem Standort 22 junge Rotmilane aus. Sein Horst erreichte mit den Jahren eine entsprechende Mächtigkeit und war von dem direkt vorbeiführenden Landwirtschaftsweg gut zu sehen.
50% aller Rotmilane, auch Königsweihe genannt, brüten bei uns in Deutschland. Wir tragen daher eine globale Verantwortung für dessen Schutz. Er steht im Anhang II der Berner Konvention, im Anhang II der Bonner Konvention und im Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie. Er gilt damit international als streng geschützte Art mit ungünstigem Erhaltungsstatus für den besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. Im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 13-14 BNatSchG gilt er auch nach deutschem Recht als streng geschützte Art. In der Roten Liste Thüringens wird er bereits in der Kategorie 3 als gefährdet geführt. Im Landkreis Gotha werden die Bestände dieser prioritären Art seit Ende der 1970er Jahre erfasst.
Zum Anlegen seins Brutplatzes wählt er häufig die Hybridpappel. Die schnell wachsende Baumart ist in den 1950er und 1960er Jahren oft als Wind- und Wetterschutz angepflanzt worden. Da diese mittlerweile ein Alter erreicht hat, in dem sie anfälliger für Windbruch ist, wird sie vielerorts oftmals aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gefällt. Aufgrund der Wertigkeit dieser Gehölze und mit Bezug auf den zunehmenden Lebensraumverlust, ist bei Fällungen auf einen sensiblen Umgang zwingend zu achten.
Im Februar 2022 ist ein solches Feldgehölz bei Pferdingsleben einem Kahlschlag zum Opfer gefallen. Thüringenforst prüfte das Gehölz nach Antrag durch die Gemeinde und befand, dass keine artenschutzrechtlichen Belange betroffen seien. Ohne Rücksprache mit der Unteren Naturschutzbehörde gab er dem Antrag statt. Diese Einschätzungen seitens des Thüringenforsts sind als falsch zu werten. Nicht nur der Rotmilan, auch der Mäusebussard, Spechte, Stare und Insekten verloren mit einem Schlag ihre Heimat. Mit dem Kahlschlag verstieß Thüringenforst gegen das Thüringen Naturgesetz, das Bundesnaturschutzgesetz, das Waldgesetz sowie gegen Europäisches Recht. Das Europäische Vogelschutzgebiet EG 16 "Ackerhügelland westlich Erfurt mit Fahnerscher Höhe" grenzt direkt an die Fläche an und genießt Umgebungsschutz. Der Kahlschlag erfolgte nach Aussage des Thüringenforsts und der Gemeinde mit der Begründung der Verkehrssicherung für eine zumal nicht öffentliche Straße. Dabei hätte es aus Sicht des NABU durchaus Alternativen wie die Sperrung der Straße für den öffentlichen Verkehr sowie der schrittweise Umbau des Gehölzes gemäß des 2011 durch die TLUG veröffentlichten Papiers "Empfehlungen zum Vogelschutz beim Umbau von Pappelgehölzen in der Feldflur" gegeben.
Der NABU setzt sich seit seiner Gründung für den Artenerhalt ein und wird diesem Fall weitere Schritte einleiten.
Für mindestens 50 Jahre wird an dieser Stelle keine Königsweihe mehr ausfliegen.
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NABU Thüringen-Pressedienst
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Unwissenheit schützt anscheinend vor Strafe
NABU Thüringen: Rotmilan Horst- und Brutplätze wurden zerstört, Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein
Jena – Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat das Ermittlungsverfahren gegen das Forstamt Finsterbergen wegen eines Vergehens nach dem Bundesnaturschutzgesetzt eingestellt.
Vorausgegangen war eine Anzeige des NABU Thüringen gegen Unbekannt wegen des Kahlschlags eines Pappelwäldchens bei Pferdingsleben im Februar 2022 und der damit verbundenen Zerstörung von Horst- und Brutplätzen streng geschützter Rotmilane.
Die Einstellung des Verfahrens wurde von der Staatsanwaltschaft unter anderem damit begründet, dass das für den Kahlschlag verantwortliche Forstamt Finsterbergen die Kenntnis des Horstbaumes bestreitet. Bei der im Vorfeld der Genehmigung durchgeführten Inaugenscheinnahmen seien dazu keine Hinweise auf das Vorhandensein eines Horstbaumes gefunden worden. Darüber hinaus verfüge das Forstamt über keinen Zugang zum Fachinformationssystem Naturschutz (LINFOS).
„Der betroffene Horst wurde 2008 erstmals nachweisliche von einem Rotmilan besetzt. Die Vögel brüten hier seit 2010 und bis 2021 sind 22 Rotmilane erfolgreich ausgeflogen“, berichtet Greifvogelexpertin Susanne Löw, die stellvertretende Vorsitzende des NABU Gotha. „Alle Jungvögel wurden im Rahmen des von der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Bergbau geförderten Rotmilanprojektes des NABU Gotha beringt.“
Aus Sicht des NABU Thüringen ist es unverantwortlich, dass sich ein Forstamt nicht die notwendigen Daten für den einzuhaltenden Naturschutzes beschafft. „Die Daten sind der Unteren Naturschutzbehörde bekannt und hätten dort auch abgefragt werden müssen. Es kann nicht sein, dass man einfach loszieht und einen ganzen Wald abholzt, ohne zu wissen welche Naturschutzbelange dort betroffen sind“, sagt Dirk Hofmann stellvertretender Vorsitzender des NABU Thüringen. „Zudem sind die Standorte im thüringenweiten Kartensystem der Thüringer Landesanstalt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz einsehbar und bekannt. Sollten Forstämter keinen Zugriff darauf haben, muss das Land Thüringen dafür sorgen, dass dies flächendeckend möglich wird.“
Hintergründe
Der Rotmilan genießt einen strengen Schutz. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist es verboten, die Fortpflanzungsstätten der Vögel zu zerstören. Das Forstamt Finsterbergen begründet, die Fällaktion sei nach einem Antrag der Gemeinde Pferdingsleben im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht notwendig gewesen. Diese Pflicht besagt: Grundstücksbesitzer sind für den verkehrssicheren Zustand ihres Baumbestandes verantwortlich. Schäden durch Bäume an Personen oder Sachen sind zu verhindern. Den Kahlschlag auf über einem Hektar Wald aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht kann der NABU Thüringen allerdings nicht nachvollziehen. Bäume die tatsächlich geschädigt waren, hätten einzeln entnommen werden können. Die gesunden Bäume hätten, als Brutstandorte für Rotmilan und Co. stehen bleiben müssen.
Mit dem Kahlschlag von des fast 1,2 Hektar großen Pappelwäldchens fällt ein langjährig durch den Rotmilan genutzter Horststandort weg. Alle Ausweichmöglichkeiten sind durch den schweren Eingriff ebenfalls zerstört. Zudem sind benachbarte Feldgehölze als Bruthabitat nicht geeignet oder schon durch andere Greifvogelarten besetzt. Es wird Jahrzehnte dauern, bis durch Wiederaufforstung geeignete Horstbäume nachwachsen. Die gefällten Pappeln, die in einer nahegelegenen Palettenfabrik verarbeitet wurden, zeigen wie schnell Lebensräume auch bei uns zerstört werden und Artenvielfalt schwindet.
Zur Pressemitteilung: https://thueringen.nabu.de/news/2023/34118.html
Mehr zum Thema Wald: https://thueringen.nabu.de/natur-und-landschaft/wald/index.html
Allert, Joachim 1996: Greifvögel im Landkreis Gotha, Bestandssituation Vorkommen und Schutz.- 32 S.- NABU KV Gotha e.V. (Hrsg.).- Gotha Druck, Günthersleben-Wechmar
zu Beziehen über info@nabu-gotha.de
Schutzgebühr: 4€ (inkl. Porto + Versand)
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